Stinos – oder die Welt da draußen

Manchmal scheine ich zu vergessen, dass die meisten Menschen nichts mit BDSM zu tun haben.

Wenn ich nicht gerade arbeitsmäßig unterwegs bin, wo ich genug um die Ohren habe, und mich um ganz andere Dinge kümmern muss, so bin ich eigentlich nur von Menschen umgeben, die mit BDSM etwas zu tun haben. Und wenn ich dann mal mit Menschen zu tun habe, die so gar nichts mit BDSM zu tun haben, dann bin ich etwas verwirrt.

Meine Verwirrung kommt wohl daher, dass Menschen, die der Norm entsprechen, so verklemmt sind. Ich vergesse immer, wie sehr BDSM mein Leben beeinflusst, dass ich auch viel offener und direkter mit dem Thema Sex umgehe, als der Großteil der Bevölkerung. Meist vergesse ich auch, dass der Großteil der Bevölkerung halt ganz normal ist.

Aber die Frage ist immer was ist normal? Ist normal, dass nur Mann und Frau, die ein Paar sind zusammen ganz normalen Sex haben? Ist normaler Sex immer nur die Missionarsstellung, oder auch die 69? Was ist normaler Sex? Oder sollte die Frage sein: was ist nicht normal? Seit Sex and the City wissen wir, dass Sex auch mal schmutzig sein darf. Dass man Analverkehr haben kann, und dass man dem Partner mit schmutzigen Wörtern oder auch Sätzen einheizen kann. Aber trotzdem redet man nicht in der Öffentlichkeit über Sex. Es werden anzügliche Witze gemacht, es fallen anzügliche Bemerkungen, aber keiner traut sich direkt zu fragen, etwas zu sagen, oder darüber zu reden. So was tut man halt nicht.

Seit ich in der Szene unterwegs bin, habe ich gelernt über meine Wünsche und Bedürfnisse zu reden. Ich habe gelernt mit den Menschen offen darüber zu reden. Auch wenn es mir selbst heute noch manchmal schwer fällt. Und wenn man dann mit Menschen zu tun hat, die das genauso oder ähnlich handhaben oder leben, dann wird das Ganze nicht mehr so wichtig. Man fängt an sich über andere Dinge zu unterhalten. Das Wissen, dass der Andere einen versteht, einen zuhört und nicht für pervers oder gar andersartig hält, schafft eine Grundlage, die das Leben vereinfacht.

Und dann, ja dann passieren Dinge wie dieses Wochenende. Wir waren zu einem Treffen mit ca. 40 Leuten, die alle nichts mit BDSM am Hut haben. Einige der anwesenden Personen stellen schon mal fest, dass wir halt etwas anders sind, dass ich doch sehr dominant bin. Diese Leute haben meist ein Problem damit, dass ich der dominante Part in unserer Beziehung bin. Sie machen Witze, oder versuchen lustige Kommentare abzugeben. Leider bin ich noch nicht soweit einfach darüber hinwegzugehen, insbesondere nicht, wenn ich schon mein 2. Glas Wein hatte. So kommt es dann, dass ich die Leute verwirre und sie in Gespräche über Sex verwickele. Dabei fällte es mir immer wieder auf wie verklemmt die meisten Menschen sind. Sie machen Witze über Sex, sagen anzügliche Sachen, aber offen darüber reden, dass ist etwas was sie nicht können. Denn das ist ja peinlich.

Was mich jedoch immer wieder ärgert ist die Verlogenheit der angeblich normal veranlagten Menschen. Sie leben in einer Partnerschaft, lieben sich, und dann betrügen sie einander. Anstatt das sie darüber reden, dass sie noch andere Bedürfnisse haben, die halt der Partner nicht befriedigen kann und man gerne mal mit jemanden anderen ins Bett gehen würde. Da wird lieber gelogen, betrogen und sich selbst was vorgemacht, anstatt ehrlich zu sein. Ist das normaler Sex? Ist das eine normale Beziehung? Dann bin ich doch lieber anders und pervers, dafür aber ehrlich und offen.

(Stinos = stink normal veranlagte Personen)

2 thoughts on “Stinos – oder die Welt da draußen

  1. Hallo Tigresse,

    das kenne ich nur zu gut. Um meine Partnerin zu schützen muss ich heute viel weniger offen leben als noch vor ein paar Jahren. Ich gerate immer wieder in Situationen in denen ich völlig fassungslos Menschen gegenüber stehe, die es einfach nicht zusammen bringen über Sexualität auch nur irgendwie gescheit zu reden. Säcke voller Klischees und Vorurteilen, 0 Wissen und einen moralischen Anspruch *grusel*

    Liebe Grüße

    Sven

  2. Hallo Tigresse,

    2000 Jahre christlicher sexueller Lustfeindlichkeit sind eben nicht spurlos in der Gesellschaft geblieben und wir leben weiterhin in diesem Kulturkreis. Freie Sexualtität und damit freie Menschen (freie Gedanken, freies Leben etc.) sind in hierachischen Gesellschaften unerwünscht. Deswegen wird mit allen Mitteln und Medien die freie Sexualität totgeschwiegen, verunglimpft oder als schmuddelig dargestellt.

    Liebe Grüße und Dank für deine Gedankenwelten
    Wolf
    (Marflow in der SZ)

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